Pressemitteilungen

23.10.2002 VOR ORT : OBERHAVEL : AUF EINEN BLICK

ORANIENBURGER KLÄRTEN SCHICKSAL EINES VERMISSTEN BELGISCHEN PILOTEN
Riesige Trümmerstrecke


HEIKO HOHENHAUS

ORANIENBURG - 80 Jahre wäre der belgische Jagdflieger Jacques Groensteen am heutigen Tag geworden. Sein Leben ließ er aber schon blutjung im Alter von 22 Jahren beim Absturz seiner Spitfire der Royal Air Force im Wald bei Malz. Dafür, dass der Verbleib des seit mehr als fünf Jahrzehnten vermissten Piloten geklärt wurde und seine sterblichen Überreste jetzt nach Belgien überführt werden können, hat die Oranienburger "AG Fliegerschicksale" gesorgt.

"Im Januar 2000 haben wir von Forstarbeitern den Hinweis über eine riesige Trümmerstrecke bei Malz bekommen", erzählt Mario Schulze. Über eine Länge von 150 Metern und eine Breite von 50 Metern verteilt fanden die Hobby-Forscher dort Flugzeugteile. Zunächst nahmen sie an, dass es sich um Überreste eines Bomber-Absturzes vom Sommer 1944 handelte, der von mehreren Zeitzeugen berichtet wurde. "Dann kam der Schock. Wir fanden das Rahmenteil einer Plexiglaskanzel und einen Rückspiegel, den wir einer englischen Spitfire zuordnen konnten. Es hatte also noch einen weiteren Absturz bei Malz gegeben", berichtet Schulze. Sein Mitstreiter Rüdiger Kaddatz ergänzt, dass im englischen Nachschlagewerk über die Verluste bei Kampfeinsätzen der Royal Air Force zu lesen ist, dass am 20. April 1945 eine Spitfire bei Berlin abgestürzt ist. "Wir sind dann nach London geflogen und haben uns im Public Record Office die alten Gefechtsberichte angeguckt", berichtet Kaddatz. Dort war davon die Rede, dass der belgische Stabsfeldwebel von einer "freien Jagd" mehrerer Spitfire nicht zurückgekehrt und vermutlich "bei Neuruppin" abgestürzt sei. Die englischen Maschinen waren in einen Luftkampf verwickelt, bei dem sechs deutsche Fokke-Wulf abgeschossen wurden. Vermutlich berührte das Flugzeug des Belgiers eine Hochspannungsleitung und kam dadurch zum Absturz. Aus dem Bericht ging hervor, dass Groensteen, der mit seiner Familie vor den Nazis nach England geflüchtet war, einen Jäger neuester Bauart, eine Spitfire MK XIV, geflogen war. Die Oranienburger suchten noch einmal bei Malz genauer und fanden tatsächlich ein Motor-Bauteil, dass diese Typenbezeichnung hatte. "Von diesen Maschinen sind überhaupt nur zwei im Osten Deutschlands abgestürzt, eine bei Parchim und eine bei Berlin - geflogen von Jacques Groensteen", berichtet Schulze. Die AG Fliegerschicksale war jetzt sicher, dass sie die Absturzstelle des Belgiers und seine sterblichen Überreste bei Malz gefunden hatten. Der Militärattaché der belgischen Botschaft, Oberst Reynders, war nach einem Besuch in Oranienburg und der Begutachtung der Fundstücke "restlos überzeugt", dass es sich um die Maschine des Belgiers handelt. Auch die Familie Groensteens schaltete sich ein. Daniel Cox, der Enkel von Groensteens Cousin, besuchte die "AG Fliegerschicksale" und nahm die Fundstücke in Augenschein. Eine DNA-Analyse wird letzte Klarheit bringen. Das belgische Verteidigungsministerium hat bei den deutschen Behörden die Überführung der sterblichen Überreste, die derzeit beim Amt Oranienburg-Land gelagert werden, beantragt. Jacques Groensteen soll in Belgien würdig bestattet werden.

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung                 ID: 76840