HEIKO
HOHENHAUS
ORANIENBURG - Mit 612 Maschinen flog die
US Air Force am 15. März 1945 ihren Angriff auf Oranienburg, die
schwerste Attacke während des Krieges auf die Stadt. Acht Flugzeuge
der riesigen Luftflotte wurden an diesem Tag über Deutschland
abgeschossen, nur eines stürzte unmittelbar in der Nähe des
"Zielgebietes" ab - der B-17-Bomber "Kitty Kay".
Die Oranienburger Mario Schulze und Rüdiger Kaddatz nahmen jetzt
Kontakt zu den noch lebenden Besatzungsmitgliedern der "Kitty
Kay" auf. Seit fünf Jahren recherchieren sie innerhalb ihrer
"Arbeitsgemeinschaft Fliegerschicksale" zu den in und um
Oranienburg während des Zweiten Weltkrieges abgestürzten
Maschinen. Aus den Unterlagen der US-Streitkräfte über die Mission
889 (Bombardierung Oranienburgs am 15. März 1945) geht hervor, dass
die "Kitty Kay" durch Flakfeuer zum Absturz gebracht
wurde. Der Pilot kam ums Leben, ein Besatzungsmitglied gilt als
vermisst, sechs gerieten in Kriegsgefangenschaft, ermittelten die
Hobby-Historiker. Sie gelangten zu der Überzeugung, dass der Bomber
bei Schmachtenhagen abgestürzt ist. Hinweise darauf geben Aufklärungs-Luftbilder
aus dem letzten Kriegsjahr sowie die Aussagen von Zeitzeugen, die
von der "AG Fliegerschicksale" befragt wurden. Und tatsächlich
fand Mario Schulze an der angegebenen Stelle ein Typenschild eines
B-17-Bauteils. Laut Zeugenaussagen habe der auch als "Fliegende
Festung" bekannte Bomber mit brennendem Motor eine Bauchlandung
auf dem Acker bei Schmachtenhagen hingelegt.
"Das Internet ist heute eine große Hilfe für unsere
Recherchen", sagt Rüdiger Kaddatz. So gelangten die
Hobby-Historiker über die Internet-Präsenz eines
Veteranenverbandes der US Air Force an die Adresse von Robert Welty,
ehemaliger Angehöriger der 398. Bombergruppe zu der die abgestürzte
Maschine gehörte. Welty hatte auch Farbaufnahmen von eben diesem
Flugzeug gemacht. "Als ich im März einen Brief von Welty mit
einem Originalabzug seines Bildes von der Kitty Kay bekam, war das
wie Weihnachten", erinnert sich der 33-Jährige.
Weltkriegsveteran Welty habe großes Interesse an Luftbildern aus
Oranienburg gezeigt, auch das Bedauern über die Verluste bei der
Zivilbevölkerung sei spürbar gewesen, berichtet Mario Schulze.
Über den Veteranenverband erhielten die AG-Mitglieder schließlich
die Anschriften der noch lebenden drei Besatzungsmitglieder.
"Am Dienstag habe ich eine E-Mail vom Kopiloten der Kitty Kay
erhalten. Er schreibt, dass er meine Fragen bald ausführlich
beantworten will", freute sich Schulze gestern. Er hatte die Überlebenden
nach ihren Erinnerungen an den Oranienburg-Einsatz gefragt, erhofft
sich Aufschluss über unbekannte Details. "Dabei hätte ich
auch Verständnis gehabt, wenn sich niemand auf meine Anfrage aus
Deutschland gemeldet hätte", sagt der Oranienburger. Viele
Besatzungsmitglieder der US-Bomber hätten schließlich üble
Erfahrungen in deutscher Kriegsgefangenschaft machen müssen.
Offiziell galt der Angriff auf Oranienburg einem
"Verschiebebahnhof", "Warum waren dann aber derartig
viele Maschinen im Einsatz?", fragt Rüdiger Kaddatz.
Historiker sind sich sicher, dass die Amerikaner davon ausgingen,
dass die Nazis in den Oranienburger Auer-Werken wichtige Komponenten
für Atomwaffen herstellten.
|