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11.04.2002 VOR ORT : OBERHAVEL : AUF EINEN BLICK

ORANIENBURGER TRATEN IN KONTAKT MIT US-ÜBERLEBENDEN EINES FLUGZEUGABSCHUSSES VOM 15. MÄRZ 1945
Lebenszeichen von der Bomber-Crew


HEIKO HOHENHAUS

ORANIENBURG - Mit 612 Maschinen flog die US Air Force am 15. März 1945 ihren Angriff auf Oranienburg, die schwerste Attacke während des Krieges auf die Stadt. Acht Flugzeuge der riesigen Luftflotte wurden an diesem Tag über Deutschland abgeschossen, nur eines stürzte unmittelbar in der Nähe des "Zielgebietes" ab - der B-17-Bomber "Kitty Kay".

Die Oranienburger Mario Schulze und Rüdiger Kaddatz nahmen jetzt Kontakt zu den noch lebenden Besatzungsmitgliedern der "Kitty Kay" auf. Seit fünf Jahren recherchieren sie innerhalb ihrer "Arbeitsgemeinschaft Fliegerschicksale" zu den in und um Oranienburg während des Zweiten Weltkrieges abgestürzten Maschinen. Aus den Unterlagen der US-Streitkräfte über die Mission 889 (Bombardierung Oranienburgs am 15. März 1945) geht hervor, dass die "Kitty Kay" durch Flakfeuer zum Absturz gebracht wurde. Der Pilot kam ums Leben, ein Besatzungsmitglied gilt als vermisst, sechs gerieten in Kriegsgefangenschaft, ermittelten die Hobby-Historiker. Sie gelangten zu der Überzeugung, dass der Bomber bei Schmachtenhagen abgestürzt ist. Hinweise darauf geben Aufklärungs-Luftbilder aus dem letzten Kriegsjahr sowie die Aussagen von Zeitzeugen, die von der "AG Fliegerschicksale" befragt wurden. Und tatsächlich fand Mario Schulze an der angegebenen Stelle ein Typenschild eines B-17-Bauteils. Laut Zeugenaussagen habe der auch als "Fliegende Festung" bekannte Bomber mit brennendem Motor eine Bauchlandung auf dem Acker bei Schmachtenhagen hingelegt.

"Das Internet ist heute eine große Hilfe für unsere Recherchen", sagt Rüdiger Kaddatz. So gelangten die Hobby-Historiker über die Internet-Präsenz eines Veteranenverbandes der US Air Force an die Adresse von Robert Welty, ehemaliger Angehöriger der 398. Bombergruppe zu der die abgestürzte Maschine gehörte. Welty hatte auch Farbaufnahmen von eben diesem Flugzeug gemacht. "Als ich im März einen Brief von Welty mit einem Originalabzug seines Bildes von der Kitty Kay bekam, war das wie Weihnachten", erinnert sich der 33-Jährige. Weltkriegsveteran Welty habe großes Interesse an Luftbildern aus Oranienburg gezeigt, auch das Bedauern über die Verluste bei der Zivilbevölkerung sei spürbar gewesen, berichtet Mario Schulze.

Über den Veteranenverband erhielten die AG-Mitglieder schließlich die Anschriften der noch lebenden drei Besatzungsmitglieder. "Am Dienstag habe ich eine E-Mail vom Kopiloten der Kitty Kay erhalten. Er schreibt, dass er meine Fragen bald ausführlich beantworten will", freute sich Schulze gestern. Er hatte die Überlebenden nach ihren Erinnerungen an den Oranienburg-Einsatz gefragt, erhofft sich Aufschluss über unbekannte Details. "Dabei hätte ich auch Verständnis gehabt, wenn sich niemand auf meine Anfrage aus Deutschland gemeldet hätte", sagt der Oranienburger. Viele Besatzungsmitglieder der US-Bomber hätten schließlich üble Erfahrungen in deutscher Kriegsgefangenschaft machen müssen.

Offiziell galt der Angriff auf Oranienburg einem "Verschiebebahnhof", "Warum waren dann aber derartig viele Maschinen im Einsatz?", fragt Rüdiger Kaddatz. Historiker sind sich sicher, dass die Amerikaner davon ausgingen, dass die Nazis in den Oranienburger Auer-Werken wichtige Komponenten für Atomwaffen herstellten.

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung                 ID: 38720