Pressemitteilung 12.02.2005
Oranienburger Generalanzeiger.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Bericht über einen Flugzeugabsturz bei Malz

 

Von Mario Schulze

Völlig erschöpft sitzt der 22 jährige amerikanische Leutnant Charles Wayne Beigel in einem Waldstück mitten in Deutschland. Er ist halb erfroren und der Schmerz in seinen Füßen bringt ihn schier um. Noch vor wenigen Stunden befand er sich in 9.000 Meter Höhe als Co-Pilot im Cockpit eines viermotorigen B-24 “Liberator“ Bombers, welcher zur 466. Bombergruppe gehörte. Diese Einheit flog an diesem 22. März 1944 ihren ersten Kampfeinsatz. Ihr Ziel waren die BRAMO Flugmotoren - Werke in Basdorf. Doch bis dahin kam das Flugzeug von Lt. Beigel nicht. Bei dem Zielanflug hatten die Bomberbesatzungen die Anweisung zu befolgen, die Position in der geschlossenen Formation zu halten. So flogen die B-24 durch starkes Feuer der deutschen Luftabwehr, ohne dem Beschuss ausweichen zu können.

Ein Bomber ihrer Gruppe, der rechts über ihnen flog, hatte Probleme die Formation zu halten, weil einer seiner Propeller ausgefallen war. Als die Einheit nur noch wenige Kilometer vom Ziel entfernt ist, erhält dieser Bomber einen Flak-Treffer in die Steuerung. Diese B-24 mit dem Spitznamen “Terry and the Pirates“ kann die Position nicht mehr halten und fällt auf die unter ihr fliegende “Liberator“. Durch den Zusammenstoß wird dem Bomber von Lt. Beigel ein Teil der rechten Tragfläche abgetrennt, der rechte äußere Motor aus seiner Verankerung gerissen, der obere Gefechtstand zermalmt und die gesamte Hecksektion des Bombers abgetrennt. Die Maschine beginnt sofort abzustürzen und beide Piloten Lt. Brand und Lt. Beigel versuchen den Sturz abzufangen, nicht ahnend wie stark ihr Flugzeug beschädigt war.

Wayne Beigel berichtet, “Als ich realisierte, dass eine Rettung nicht mehr möglich war, fiel ich in meinen Sitz zurück. Tatenlos sah ich unserem furchtbaren Sturz zu. Aber merkwürdigerweise war da kein Gefühl der Angst, nur Resignation ".

Dann siegte der Überlebenswille und er schrie seinem Piloten zu, dass sie aus dem Flugzeug heraus müssen. Gegen die ungeheuren Fliehkräfte ankämpfend, kroch er auf allen Vieren zum geöffneten Bombenschacht. Dies war die einzige Möglichkeit um aus dem Bomber zu kommen. Lt. Beigel ließ sich aus dem Schacht fallen, zog die Reißleine des Fallschirms, der sich sofort öffnete, pendelte nur zweimal hin und her und schlug dann hart auf dem Boden auf.

Der B-24 Bomber trudelte genau auf das Gehöft Schweizer Hütte nördlich von Malz zu. In Panik flüchteten die Bewohner aus ihren Häusern. Gegen 13.30 am 22. März 1944, so der deutsche Bericht, schlug das Flugzeug, nur wenige Meter von den Wohnhäusern entfernt, auf dem gefrorenen Boden auf und riss acht Männer seiner Besatzung in den Tod. Nur Lt. Beigel und der Bordschütze Sgt. Avery Houchard überlebten diese Tragödie. Houchard wurde wenig später von einer Gruppe Malzer Kinder gesichtet, die ihn zum Dorf geleiteten. Dort warte er beim Büro des Bürgermeisters auf seinen Abtransport.

Lt. Beigel wurde erst gegen 18.00 Uhr von einem Suchkommando in einem Waldstück bei Malz entdeckt. Durch die Gewalt des Entfaltungsstoßes seines Fallschirmes waren ihm die Stiefel von den Füßen gerissen worden. Er landete nur in Socken auf dem hart gefrorenem, mit Schnee bedeckten Boden. Als man ihn ergriffen hatte, waren die Socken durchgelaufen. Mit seinen Kräften am Ende, war Lt. Beigel letztlich erleichtert darüber, nun Kriegsgefangener zu sein.

Er wurde zu einem Bahnhof gebracht, wo noch etwa 50 weitere alliierte Flieger versammelt waren. Zu seiner Überraschung traf er dort auch seinen Kameraden Avery Houchard. Der war geschockt den Co-Piloten zu sehen, da er angenommen hatte, dass außer ihm keiner mehr aus dem abstürzenden Bomber heraus gekommen sei.

Die Flieger wurden dann per Bahn nach Berlin-Tempelhof gebracht und von dort aus, nach mehreren Tagen Verhör, wurde Wayne Beigel in das Kriegsgefangenenlager Stalag Luft III bei Sagan / Schlesien gebracht. Dort blieb er bis zu dem berüchtigten Gewaltmarsch, der am 29. Januar 1945 begann. Das Lager wurde in den frühen Morgenstunden diesen Tages evakuiert, damit der vorrückenden Roten Armee diese Gefangenen nicht in die Hände fallen. Wochenlang marschierten diese Kolonnen durch Schneestürme in Richtung Westen, bis sie letztlich in Güterzügen verladen wurden und Anfang März 1945 schließlich ihren Bestimmungsort, das Kriegsgefangenenlager in Moosburg erreichten.

Dort endete auch für Charles Wayne Beigel am 29. April 1945 die Kriegsgefangenschaft. Als er England dreizehn Monate zuvor verließ, wog er 195 Pfund und bei seiner Befreiung brachte er noch 129 Pfund auf die Waage. Die Verletzung, die er sich bei der harten Landung in beiden Hacken zuzog, bringt ihm noch heute viel Ungemach. Doch den wesentlich größeren Schmerz bereiten ihm der Verlust seiner Kameraden.

Diese wurden zunächst auf dem Gemeindefriedhof von Malz beigesetzt. Nach dem Krieg kam ein alliiertes Suchkommando in das Dorf und exhumierte die Toten. Da eine Identifizierung der einzelnen Besatzungsmitglieder nicht mehr möglich war, wurde entschieden, dass die acht Toten ein Gemeinschaftsgrab erhalten sollten. Am 21. Juli 1951 fanden sie auf dem Zachary Taylor National Friedhof in Louisville, Kentucky, USA; ihre letzte Ruhestätte.

Wayne Beigel hatte noch vor seinem Einsatz in Europa geheiratet. Er und seine Frau, die leider schon 1997 verstarb, zogen neun Kinder groß. Heute ist er, so berichtet Mr. Beigel, mit 29 Enkel und 19 Urenkel gesegnet.