Ein
Bericht über einen Flugzeugabsturz bei Malz
Von
Mario Schulze
Völlig
erschöpft sitzt der 22 jährige amerikanische Leutnant Charles Wayne Beigel
in einem Waldstück mitten in Deutschland. Er ist halb erfroren und der
Schmerz in seinen Füßen bringt ihn schier um. Noch vor wenigen Stunden
befand er sich in 9.000 Meter Höhe als Co-Pilot im Cockpit eines
viermotorigen B-24 “Liberator“ Bombers, welcher zur 466. Bombergruppe
gehörte. Diese Einheit flog an diesem 22. März 1944 ihren ersten
Kampfeinsatz. Ihr Ziel waren die BRAMO Flugmotoren -
Werke in Basdorf. Doch bis dahin kam das Flugzeug von Lt. Beigel
nicht. Bei dem Zielanflug hatten die Bomberbesatzungen die Anweisung zu
befolgen, die Position in der geschlossenen Formation zu halten. So flogen
die B-24 durch starkes Feuer der deutschen Luftabwehr, ohne dem Beschuss
ausweichen zu können.
Ein
Bomber ihrer Gruppe, der rechts über ihnen flog, hatte Probleme die
Formation zu halten, weil einer seiner Propeller ausgefallen war. Als die
Einheit nur noch wenige Kilometer vom Ziel entfernt ist, erhält dieser
Bomber einen Flak-Treffer in die Steuerung. Diese B-24 mit dem Spitznamen
“Terry and the Pirates“ kann die Position nicht mehr halten und fällt
auf die unter ihr fliegende “Liberator“. Durch den Zusammenstoß wird
dem Bomber von Lt. Beigel ein Teil der rechten Tragfläche abgetrennt, der
rechte äußere Motor aus seiner Verankerung gerissen, der obere
Gefechtstand zermalmt und die gesamte Hecksektion des Bombers abgetrennt.
Die Maschine beginnt sofort abzustürzen und beide Piloten Lt. Brand und Lt.
Beigel versuchen den Sturz abzufangen, nicht ahnend wie stark ihr Flugzeug
beschädigt war.
Wayne
Beigel berichtet, “Als ich realisierte, dass eine Rettung nicht mehr möglich
war, fiel ich in meinen Sitz zurück. Tatenlos sah ich unserem furchtbaren
Sturz zu. Aber merkwürdigerweise war da kein Gefühl der Angst, nur
Resignation ".
Dann
siegte der Überlebenswille und er schrie seinem Piloten zu, dass sie aus
dem Flugzeug heraus müssen. Gegen die ungeheuren Fliehkräfte ankämpfend,
kroch er auf allen Vieren zum geöffneten Bombenschacht. Dies war die
einzige Möglichkeit um aus dem Bomber zu kommen. Lt. Beigel ließ sich aus
dem Schacht fallen, zog die Reißleine des Fallschirms, der sich sofort öffnete,
pendelte nur zweimal hin und her und schlug dann hart auf dem Boden auf.
Der
B-24 Bomber trudelte genau auf das Gehöft Schweizer Hütte nördlich von
Malz zu. In Panik flüchteten die Bewohner aus ihren Häusern. Gegen 13.30
am 22. März 1944, so der deutsche Bericht, schlug das Flugzeug, nur wenige
Meter von den Wohnhäusern entfernt, auf dem gefrorenen Boden auf und riss
acht Männer seiner Besatzung in den Tod. Nur Lt. Beigel und der Bordschütze
Sgt. Avery Houchard überlebten diese Tragödie. Houchard wurde wenig später
von einer Gruppe Malzer Kinder gesichtet, die ihn zum Dorf geleiteten. Dort
warte er beim Büro des Bürgermeisters auf seinen Abtransport.
Lt.
Beigel wurde erst gegen 18.00 Uhr von einem Suchkommando in einem Waldstück
bei Malz entdeckt. Durch die Gewalt des Entfaltungsstoßes seines
Fallschirmes waren ihm die Stiefel von den Füßen gerissen worden. Er
landete nur in Socken auf dem hart gefrorenem, mit Schnee bedeckten Boden.
Als man ihn ergriffen hatte, waren die Socken durchgelaufen. Mit seinen Kräften
am Ende, war Lt. Beigel letztlich erleichtert darüber, nun Kriegsgefangener
zu sein.
Er
wurde zu einem Bahnhof gebracht, wo noch etwa 50 weitere alliierte Flieger
versammelt waren. Zu seiner Überraschung traf er dort auch seinen Kameraden
Avery Houchard. Der war geschockt den Co-Piloten zu sehen, da er angenommen
hatte, dass außer ihm keiner mehr aus dem abstürzenden Bomber heraus
gekommen sei.
Die
Flieger wurden dann per Bahn nach Berlin-Tempelhof gebracht und von dort
aus, nach mehreren Tagen Verhör, wurde Wayne Beigel in das
Kriegsgefangenenlager Stalag Luft III bei Sagan / Schlesien gebracht. Dort
blieb er bis zu dem berüchtigten Gewaltmarsch, der am 29. Januar 1945
begann. Das Lager wurde in den frühen Morgenstunden diesen Tages evakuiert,
damit der vorrückenden Roten Armee diese Gefangenen nicht in die Hände
fallen. Wochenlang marschierten diese Kolonnen durch Schneestürme in
Richtung Westen, bis sie letztlich in Güterzügen verladen wurden und
Anfang März 1945 schließlich ihren Bestimmungsort, das
Kriegsgefangenenlager in Moosburg erreichten.
Dort
endete auch für Charles Wayne Beigel am 29. April 1945 die
Kriegsgefangenschaft. Als er England dreizehn Monate zuvor verließ, wog er
195 Pfund und bei seiner Befreiung brachte er noch 129 Pfund auf die Waage.
Die Verletzung, die er sich bei der harten Landung in beiden Hacken zuzog,
bringt ihm noch heute viel Ungemach. Doch den wesentlich größeren Schmerz
bereiten ihm der Verlust seiner Kameraden.
Diese
wurden zunächst auf dem Gemeindefriedhof von Malz beigesetzt. Nach dem
Krieg kam ein alliiertes Suchkommando in das Dorf und exhumierte die Toten.
Da eine Identifizierung der einzelnen Besatzungsmitglieder nicht mehr möglich
war, wurde entschieden, dass die acht Toten ein Gemeinschaftsgrab erhalten
sollten. Am 21. Juli 1951 fanden sie auf dem Zachary Taylor National
Friedhof in Louisville, Kentucky, USA; ihre letzte Ruhestätte.
Wayne
Beigel hatte noch vor seinem Einsatz in Europa geheiratet. Er und seine
Frau, die leider schon 1997 verstarb, zogen neun Kinder groß. Heute ist er,
so berichtet Mr. Beigel, mit 29 Enkel und 19 Urenkel gesegnet.
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