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Wie
ein amerikanischer Flieger den Angriff vom 15. März 1945 erlebte
John H. Kirkwood war Navigator eines B-17-Bombers - Der Oranienburger AG
Fliegerschicksale schilderte er seine Erlebnisse
Von Mario Schulze
In den kommenden Tagen wird in Oranienburg des schrecklichen Bombardements
gedacht, das vor 60 Jahren auf die Stadt und seine Bewohner niederging. Die
Menschen, die diesen Angriff erlebten, werden wieder mit den schrecklichen
Ereignisse dieses 15.März 1945 konfrontiert.
Es sind aber nicht nur Deutsche, die sich mit Grauen an diesen Tag erinnern.
Im fernen Amerika brachte der 89-jährige John H. Kirkwood seinen Bericht über
diesen Einsatz zu Papier und während er dies tat, lassen ihn die
Erinnerungen an die Ereignisse dieses schrecklichen März-Tages von vor 60
Jahren in kalten Schweiß ausbrechen.
Kirkwood war Navigator eines B-17-Bombers der 447.Gruppe der 8.
US-Luftwaffe. Dies ist der Bericht seines 19. Kampfeinsatzes.
15. März 1945
„Unser Ziel wird heute der Verschiebebahnhof von Oranienburg sein. Der
Einweisungsoffizier teilt uns mit, dass durch diesen Bahnhof Panzer von der
Ostfront in Richtung Westen transportiert werden. Unser Job ist es, dies zu
beenden. Wir werden mit je sechs 1000-Pfund-Bomben pro Flugzeug beladen.
Jede Bombe ist mit einem Langzeitzünder ausgestattet.
Wir starten erst ungewöhnlich spät, gegen Mittag. Es wird kein Grund dafür
angegeben. Unser Bomber startet als fast letzter der gesamten Gruppe. Die
Sauerstoffmasken werden angelegt, als wir unserer Einsatzhöhe von 7000
Meter entgegensteigen. Es ist höllisch kalt draußen, der Winter geht
seinem Ende entgegen.
Ich hänge meinen Fallschirm am Tragegestell ein und ziehe die
Flak-Schutzweste fester. Sie ist lästig und wiegt schwer wie eine Tonne.
Der Fallschirm ist auch unbequem, aber ich will nicht ohne meinen
Lebensretter aus dem Flugzeug geschleudert werden.
Am Beginn des Zielanfluges sehe ich eine unserer B17 direkt vor uns abstürzen,
getroffen von einer uns unbekannten Flak-Batterie. Die Flak-Weste wird plötzlich
viel leichter. Mein Puls jagt. Das Ziel ist noch etwa 60 Kilometer entfernt,
noch etwa zehn Minuten Flugzeit. Aber die Explosionswolken der Flak kommen
immer näher.
Ich stehe hinter Skeets, unserem Bombenschützen, und ich bemerke, dass eine
B17 der Führungsstaffel nach rechts aus seiner Formation driftet.
Explosionen der Flak sind links und rechts um ihn herum. Deren Höhe, Kurs
und Geschwindigkeit sind exakt und ich erkenne, dass der Bomber umklammert
ist. Als meine Augen sich der Flugrichtung wieder zuwenden, ist da plötzlich
ein Lichtblitz und eine Rauchwolke hängt dort, wo eben noch das Flugzeug
war. Einige brennende Teile fallen trudelnd nach unten. Seine Bombenladung
war getroffen worden, und in einem Augenblick sind eine B17 und seine
Besatzung verschwunden, in Stücke gerissen.
Nach wenigen Minuten sind wir über dem Ziel, die Bomben fallen. Flak ist überall
um uns herum. Das Krachen naher Explosionen ist zu hören und ihr hässliches
rotes Innenleben ist zu sehen, das war nahe. Während des Bombenabwurfes
fliegen wir durch eine der Rauchmarkierungen, welche unsere transparente
Bugsektion und die Astrokuppel mit einer gelblich-grünen Schmiere überzieht
und uns die Sicht nimmt. Wir fliegen vom Ziel ab.
Nahe der Elbe, bei Wittenberg, so vermute ich, kommen wir der Stadt und
seiner Flak zu nahe. Dann bricht die Hölle los. Wir taumeln nach links und
rechts, ich werde durch die Kabine geschleudert und mir wird der Stahlhelm
vom Kopf gerissen. Über den Bordfunk kommt erregtes Gebrüll. Wir sind von
einer Flak-Batterie erwischt worden. Ich bin zu Tode verängstigt und wegen
der verschmierten Kanzel nicht in der Lage, zu erkennen, was vor sich geht,
ich rücke dem Notausstieg näher. Ich will nicht in einem nach unten
trudelnden Flugzeug gefangen sein, wenn wir getroffen werden.
Innerhalb von Sekunden ist der Zauber vorbei, wir rissen uns zusammen und
flogen weiter, ziemlich gut durchgeschüttelt, landeten wohlbehalten, werden
abgeladen, ausgefragt, schleppen uns an der Kantine vorbei in unsere Hütten.“
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