Pressemitteilung 31.03.2005

Gransee Zeitung,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer half verletzten deutschen Flugzeugführer im April 1945?

 

Absprung bei Zehdenick und eine Bauchlandung bei Klein-Mutz / Piloten wollen sich bei Helfern bedanken

 

von Rüdiger Kaddatz

In den letzten Apriltagen des Jahres 1945 liegen auf den Flugplätzen in Rechlin, Lärz, Roggentin, Prenzlau und anderen in dieser Gegend außergewöhnlich viele Jagdgeschwader der deutschen Luftwaffe mit ihren einmotorigen Jägern vom Typ Messerschmitt Me 109 und Focke-Wulf 190. Die Flugzeugführer müssen in diesen Tagen Einsätze gegen sowjetische Bodentruppen fliegen, die bereits die Oder überschritten haben. Bis vor kurzem sind sie noch gestartet, um in der sogenannten „Reichverteidigung“ einfliegende Bomber der Alliierten abzufangen. Die Flugzeugführer wissen, dass der Krieg verloren ist, aber die Befehlsgewalt und der feste Glaube, mit ihren Aktionen der flüchtenden Bevölkerung einen Vorsprung vor der herannahenden Roten Armee zu verschaffen, lässt sie immer wieder in ihre Flugzeuge steigen.

Für Valentin Scheuermann von der III. Gruppe des Jagdgeschwaders 4 geht es am 20. April 1945 schon in den Morgenstunden wieder los. Die Gruppe erhält Befehl, die aus dem Oderbrückenkopf bei Frankfurt/Oder-Küstrin Richtung Berlin vorstoßende Rote Armee zu bekämpfen. Die Gruppe fliegt Angriff auf Angriff. Gegen 12.00 Uhr startet die Gruppe zu einem weiteren Einsatz, sie greifen Panzer und Infanterie sowie den Nachschub im näheren Frontbereich an. Es werden mehrere Tiefangriffe geflogen, den ersten im Bombenabwurf, anschließend mit MG’s und Kanone. Wegen der rasch wechselnden Ziele können die Flugzeugführer die Wirkung ihres Angriffes nicht erkennen. So gegen 13:00 Uhr, als der Verband auf dem Rückflug nach Rechlin ist, werden sie von britischen einmotorigen Jägern vom Typ Spitfire angegriffen. Bei Valentin  Scheuermann geht in diesem Moment die rote Lampe an, ein Zeichen, dass der Sprit knapp wird. Aufgrund der geflogenen Tiefangriffe hat er kaum noch Munition. Ein Luftkampf ist aussichtslos, plötzlich werden aus Jägern Gejagte. Er versucht sein Glück in der Flucht. Aber da passiert es, in ca. 2.000 m Höhe erhält er von hinten rechts Treffer. Er hört die Einschläge in seine Me 109, es klingt, als ob viele Hämmer auf sein Flugzeug einschlagen, er spürt einen Schlag im Oberschenkel. Plötzlich steht die Kabine in Flammen, er sitzt mitten drin. Die Flammen schlagen ihm direkt ins Gesicht, der Brandherd liegt direkt zwischen seinen Beinen, dort ist auch die 3 cm-Kanone mit der restlichen Munition. Mit der linken Hand versucht er sein Gesicht vor den Flammen zu schützen. Mit der rechten Hand sucht er den Hebel für den Notabwurf des Kabinendaches. Er findet den Hebel nicht. Die Hitze wird unerträglich, er kann kaum noch atmen. Verzweifelt versucht er dem Flammenmeer zu entkommen. Er löst den Anschnallgurt und versucht das Kabinendach normal zu öffnen, es gelingt auf Anhieb. Er streckt sich und wird in diesem Moment bewusstlos. Aber durch diese Aktion wird er durch den Luftsog aus der Maschine gezogen. Als er wieder frische Luft atmet, kommt er zu sich. Sein Körper überschlägt und dreht sich, es gelingt ihm die Reißleine zu ziehen. Nach wenigen Augenblicken verspürt er den starken Entfaltungsruck, der Schirm hat sich geöffnet, er ist durch den Brand nicht beschädigt worden. Durch die Verbrennungen im Gesicht sind mittlerweile die Augen zugequollen, die Umgebung kann er nur noch schemenhaft erkennen. Auf einer Wiese in der Nähe einer Ortschaft, vor einer Scheune oder einem großen Haus, landet er. Der Wind schleift ihn noch ein Stück über den Boden, bevor er den Fallschirm lösen kann. Er versucht aufzustehen, knickt aber immer wieder mit dem rechten Bein ein. Da kommt plötzlich ein großer kräftiger Mann, wie sich später herausstellte, ein polnischer Zwangsarbeiter, der hilft dem deutschen Flugzeugführer mit der versengten Lederkombi und dem verbrannten, zugequollenen Gesicht. Valentin Scheuermann wird zu einem naheliegenden Haus gebracht. Auf einer Bank vor dem Haus sitzend schüttet ihm jemand Kartoffelmehl ins Gesicht, seine Augen lassen sich nicht mehr öffnen. Er wird ins Krankenhaus gebracht, wahrscheinlich nach Zehdenick. Den Abschuss hat er überlebt, er konnte sich mit dem Fallschirm retten, seine Verwundungen sind aber schwer, ein Einschuss und Splitter im rechten Oberschenkel, Verbrennungen 2. und 3. Grades im Gesicht, an beiden Händen und an der Rückseite des rechten Oberschenkels. Am nächsten Tag wird Valentin Scheuermann im Krankenhaus von seinem Staffelkameraden Oskar Butenop besucht. Oskar Butenop wurde ebenfalls bei diesem Luftkampf abgeschossen, er kann aber mit seiner Me 109 eine Bauchlandung bei Klein-Mutz, östlich des Bahnhofes, machen, die er ohne Blessuren übersteht.

Und noch mehr Besuch kommt, es ist ein Kind der Bauernfamilie, die ihm auf der Bank vor dem Haus Erste Hilfe geleistet hat. Das Kind, ob Junge oder Mädchen kann er aufgrund seiner schweren Augenverletzungen nicht feststellen, bringt ihm zwei Flaschen Wasser. Nach der Stimme zu urteilen war das Kind zwischen zehn und zwölf Jahre alt. Im Gehen bekommt Valentin Scheuermann noch den Hinweis von dem Kind, dass er nach der Genesung die Familie besuchen soll und bei dieser Gelegenheit könne er die Flaschen mitbringen. Doch dazu kommt es nicht mehr, als die Front näher rückt, wird das Krankenhaus evakuiert.

Beide Flugzeugführer erfreuen sich noch heute bester Gesundheit, das damals Erlebte verbindet sie noch heute. Die Stelle der Bauchlandung von Oskar Butenop bei Klein-Mutz ist uns, der Arbeitsgemeinschaft Fliegerschicksale Oranienburg, bekannt. Valentin Scheuermann ist an uns herangetreten, weil er gerne die Stelle seiner damaligen Landung mit dem Fallschirm wiedersehen möchte und vor allem die Leute kennen lernen möchte, die damals die Erstversorgung vorgenommen haben, besonders das Kind der Bauernfamilie. Vielleicht konnte dieser Beitrag die Erinnerung an das damals Geschehene bei Einigen wecken, die dieses Ereignis beobachtet haben. Informationen werden gerne unter der Telefonnummer 03301 701733 vom Autor entgegengenommen.