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Wer
half verletzten deutschen Flugzeugführer im April 1945?
Absprung
bei Zehdenick und eine Bauchlandung bei Klein-Mutz / Piloten wollen sich bei
Helfern bedanken
von
Rüdiger Kaddatz
In
den letzten Apriltagen des Jahres 1945 liegen auf den Flugplätzen in
Rechlin, Lärz, Roggentin, Prenzlau und anderen in dieser Gegend außergewöhnlich
viele Jagdgeschwader der deutschen Luftwaffe mit ihren einmotorigen Jägern
vom Typ Messerschmitt Me 109 und Focke-Wulf 190. Die Flugzeugführer müssen
in diesen Tagen Einsätze gegen sowjetische Bodentruppen fliegen, die
bereits die Oder überschritten haben. Bis vor kurzem sind sie noch
gestartet, um in der sogenannten „Reichverteidigung“ einfliegende Bomber
der Alliierten abzufangen. Die Flugzeugführer wissen, dass der Krieg
verloren ist, aber die Befehlsgewalt und der feste Glaube, mit ihren
Aktionen der flüchtenden Bevölkerung einen Vorsprung vor der herannahenden
Roten Armee zu verschaffen, lässt sie immer wieder in ihre Flugzeuge
steigen.
Für
Valentin Scheuermann von der III. Gruppe des Jagdgeschwaders 4 geht es am
20. April 1945 schon in den Morgenstunden wieder los. Die Gruppe erhält
Befehl, die aus dem Oderbrückenkopf bei Frankfurt/Oder-Küstrin Richtung
Berlin vorstoßende Rote Armee zu bekämpfen. Die Gruppe fliegt Angriff auf
Angriff. Gegen 12.00 Uhr startet die Gruppe zu einem weiteren Einsatz, sie
greifen Panzer und Infanterie sowie den Nachschub im näheren Frontbereich
an. Es werden mehrere Tiefangriffe geflogen, den ersten im Bombenabwurf,
anschließend mit MG’s und Kanone. Wegen der rasch wechselnden Ziele können
die Flugzeugführer die Wirkung ihres Angriffes nicht erkennen. So gegen
13:00 Uhr, als der Verband auf dem Rückflug nach Rechlin ist, werden sie
von britischen einmotorigen Jägern vom Typ Spitfire angegriffen. Bei
Valentin Scheuermann geht in
diesem Moment die rote Lampe an, ein Zeichen, dass der Sprit knapp wird.
Aufgrund der geflogenen Tiefangriffe hat er kaum noch Munition. Ein
Luftkampf ist aussichtslos, plötzlich werden aus Jägern Gejagte. Er
versucht sein Glück in der Flucht. Aber da passiert es, in ca. 2.000 m Höhe
erhält er von hinten rechts Treffer. Er hört die Einschläge in seine Me
109, es klingt, als ob viele Hämmer auf sein Flugzeug einschlagen, er spürt
einen Schlag im Oberschenkel. Plötzlich steht die Kabine in Flammen, er
sitzt mitten drin. Die Flammen schlagen ihm direkt ins Gesicht, der
Brandherd liegt direkt zwischen seinen Beinen, dort ist auch die 3 cm-Kanone
mit der restlichen Munition. Mit der linken Hand versucht er sein Gesicht
vor den Flammen zu schützen. Mit der rechten Hand sucht er den Hebel für
den Notabwurf des Kabinendaches. Er findet den Hebel nicht. Die Hitze wird
unerträglich, er kann kaum noch atmen. Verzweifelt versucht er dem
Flammenmeer zu entkommen. Er löst den Anschnallgurt und versucht das
Kabinendach normal zu öffnen, es gelingt auf Anhieb. Er streckt sich und
wird in diesem Moment bewusstlos. Aber durch diese Aktion wird er durch den
Luftsog aus der Maschine gezogen. Als er wieder frische Luft atmet, kommt er
zu sich. Sein Körper überschlägt und dreht sich, es gelingt ihm die Reißleine
zu ziehen. Nach wenigen Augenblicken verspürt er den starken
Entfaltungsruck, der Schirm hat sich geöffnet, er ist durch den Brand nicht
beschädigt worden. Durch die Verbrennungen im Gesicht sind mittlerweile die
Augen zugequollen, die Umgebung kann er nur noch schemenhaft erkennen. Auf
einer Wiese in der Nähe einer Ortschaft, vor einer Scheune oder einem großen
Haus, landet er. Der Wind schleift ihn noch ein Stück über den Boden,
bevor er den Fallschirm lösen kann. Er versucht aufzustehen, knickt aber
immer wieder mit dem rechten Bein ein. Da kommt plötzlich ein großer kräftiger
Mann, wie sich später herausstellte, ein polnischer Zwangsarbeiter, der
hilft dem deutschen Flugzeugführer mit der versengten Lederkombi und dem
verbrannten, zugequollenen Gesicht. Valentin Scheuermann wird zu einem
naheliegenden Haus gebracht. Auf einer Bank vor dem Haus sitzend schüttet
ihm jemand Kartoffelmehl ins Gesicht, seine Augen lassen sich nicht mehr öffnen.
Er wird ins Krankenhaus gebracht, wahrscheinlich nach Zehdenick. Den
Abschuss hat er überlebt, er konnte sich mit dem Fallschirm retten, seine
Verwundungen sind aber schwer, ein Einschuss und Splitter im rechten
Oberschenkel, Verbrennungen 2. und 3. Grades im Gesicht, an beiden Händen
und an der Rückseite des rechten Oberschenkels. Am nächsten Tag wird
Valentin Scheuermann im Krankenhaus von seinem Staffelkameraden Oskar
Butenop besucht. Oskar Butenop wurde ebenfalls bei diesem Luftkampf
abgeschossen, er kann aber mit seiner Me 109 eine Bauchlandung bei
Klein-Mutz, östlich des Bahnhofes, machen, die er ohne Blessuren übersteht.
Und
noch mehr Besuch kommt, es ist ein Kind der Bauernfamilie, die ihm auf der
Bank vor dem Haus Erste Hilfe geleistet hat. Das Kind, ob Junge oder Mädchen
kann er aufgrund seiner schweren Augenverletzungen nicht feststellen, bringt
ihm zwei Flaschen Wasser. Nach der Stimme zu urteilen war das Kind zwischen
zehn und zwölf Jahre alt. Im Gehen bekommt Valentin Scheuermann noch den
Hinweis von dem Kind, dass er nach der Genesung die Familie besuchen soll
und bei dieser Gelegenheit könne er die Flaschen mitbringen. Doch dazu
kommt es nicht mehr, als die Front näher rückt, wird das Krankenhaus
evakuiert.
Beide
Flugzeugführer erfreuen sich noch heute bester Gesundheit, das damals
Erlebte verbindet sie noch heute. Die Stelle der Bauchlandung von Oskar
Butenop bei Klein-Mutz ist uns, der Arbeitsgemeinschaft Fliegerschicksale
Oranienburg, bekannt. Valentin Scheuermann ist an uns herangetreten, weil er
gerne die Stelle seiner damaligen Landung mit dem Fallschirm wiedersehen möchte
und vor allem die Leute kennen lernen möchte, die damals die Erstversorgung
vorgenommen haben, besonders das Kind der Bauernfamilie. Vielleicht konnte
dieser Beitrag die Erinnerung an das damals Geschehene bei Einigen wecken,
die dieses Ereignis beobachtet haben. Informationen werden gerne unter der
Telefonnummer 03301 701733 vom Autor entgegengenommen.
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