Pressemitteilung 03.08.2005
Märkische Allgemeine, Neue Oranienburger Zeitung,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Bomberpilot trifft Entschärfer


Henry D. Chandler (85) informierte sich über das explosive Erbe
von Heiko Hohenhaus


Der ehemalige US-Air-Force-Pilot Henry D. Chandler informierte sich am Dienstag beim aktuellen Bombenverdachtspunkt in Oranienburg bei den Sprengmeistern Hans-Jürgen Weise und Bernd Schäfer sowie bei Rüdiger Kaddatz von der AG Fliegerschicksale. Während des 2. Weltkriegs hatte Chandler Bomben über der Stadt abgeworfen - gestern traf der ehemalige US-Air-Force-Pilot Henry D. Chandler mit den Entschärfern zusammen. "Ich wollte wissen, wie die Leute heute hier denken", erklärte er den Grund seines Besuchs.
Der Oranienburg-Einsatz am 15. März 1945 war Chandlers letzter. Auf dem Rückflug wurde sein B-17-Bomber bei Perleberg abgeschossen. "Damals habe ich sechs Kameraden verloren", sagte der 85-Jährige bewegt. 
"Er hat als Pilot seinen Job gemacht, wir machen heute unseren Job", sagte Sprengmeister Hans-Jürgen Weise. Er zeigte dem US-Amerikaner den aktuellen Bombenverdachtspunkt, der gegenwärtig mit schwerer Technik freigelegt wird. Sollte sich der Verdacht bestätigen, stünde in Oranienburg kommenden Montag die 100. Bombenentschärfung seit der Wende an. 
"Als ich vor 33 Jahren angefangen habe, hieß es, dass es noch zehn Jahre Arbeit für die Entschärfer gibt", bemerkte Weise. Chandler ließ sich die alten US-Luftbilder erklären, die zeigen, dass die Sprengmeister noch auf Jahre viel zu tun haben werden. 
Rüdiger Kaddatz von der AG Fliegerschicksale hatte ermittelt, dass die Zehn-Zentner-Bomben, die in jüngster Zeit auf dem Klärwerksgelände entschärft wurden, von Chandlers Bombergruppe stammen könnten. Aus den Beladungslisten, die der AG vorliegen, geht hervor, dass die Gruppe 500-Kilogramm-Bomben abgeworfen hatte, die nicht allzu oft zum Einsatz kamen. "Der Mann weiß über meine Mission besser Bescheid als ich", wunderte sich Chandler. Die mehr als zehnjährige Arbeit der AG Fliegerschicksale zahle sich jetzt aus, so Kaddatz. Besuche wie die des Ex-Piloten seien wichtig, denn in einigen Jahren gebe es keine Zeitzeugen mehr. 
Chandler blickt aber nicht nur in die Vergangenheit. Morgen fährt er an den Beetzsee nach Brandenburg (Havel) zur Junioren-WM der Ruderer, an der der Enkel seiner Lebensgefährtin teilnimmt.
Im letzten Moment gerettet
Henry D. Chandler war während des Zweiten Weltkrieges Angehöriger der 447. Gruppe der 8. US-Luftwaffe, die von England aus Angriffe gegen Deutschland flog. Am 15. März 1945 nahm er als Pilot eines B-17-Bombers an dem Angriff auf Oranienburg teil. Auf dem Rückflug nach England wurde seine B 17 von einer Flak-Einheit im Raum Wittenberge abgeschossen. Henry Chandler konnte sich im letzten Moment aus dem Flugzeug befreien, bevor es in der Nähe von Perleberg aufschlug. Sechs Mann seiner Besatzung kamen bei dem Absturz ums Leben. Die letzten zwei Monate des Krieges verbrachte Chandler in deutscher Gefangenschaft.