Pressemitteilung Berliner Woche, 07.06.2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


"Jetzt ist der Krieg für mich wirklich zu Ende"


Britischer Flieger findet nach 62 Jahren seine Absturzstelle im Wald am Bahnhof Hirschgarten   von Ralf Drescher


Ein Wäldchen in der Nähe des Bahnhofs Hirschgarten. Der Brite Reginald Wilson (83) aus Essex, ist nach 62 Jahren noch einmal zurückgekehrt. Im Januar 1944 überlebte er hier den Absturz seines Flugzeuges.
Der Brite gehörte im Zweiten Weltkrieg zur 102. Squadron der Royal Airforce und flog damals seinen dritten Angriff auf Berlin. Von Nachtjägern angegriffen, stürzte die viermotorige Maschine im Raum Köpenick ab, Wilson und drei Kameraden retteten sich mit dem Fallschirm, vier starben. Bereits im vorigen Jahr war der Luftkriegsveteran zur Spurensuche nach Berlin gekommen. Eine damals besichtigte Stelle in der Köllnischen Heide erwies sich hinterher als falsch.
Diesmal hat sich Michael Pincus mit Reginald Wilson verabredet. Er war im Januar 1944 gerade 17 Jahre alt und wohnte in der Siedlung Elsengrund in Köpenick. Michael Pincus: "Ich habe den Angriff vom 20. Januar in meinem Notizbuch festgehalten. Von 19 bis 22 Uhr gab es Vollalarm, es erfolgte ein schwerer Angriff auf Berlin und Köpenick. Wir wurden in unserem Luftschutzkeller ganz schön durchgeschüttelt."
Am Tag nach dem Angriff musste der Gymnasiast auf dem Weg zur Schule durch den Wald am Bahnhof Hirschgarten laufen. Dort lag das Wrack eines viermotorigen Bombers, mehrere Tote Besatzungsmitglieder befanden sich noch in der Maschine. Einige Tage später schraubte ein Freund ein Schild vom Armaturenbrett ab und schenkte es dem Köpenicker. Nach 62 Jahren fand Michael Pincus nach wenigen Minuten die Stelle, an der damals der Bomber mit abgebrochenen Tragflächen lag. Das Wrack war noch vor Kriegsende weggeräumt worden.
Noch heute sieht man im Wald, das es hier einmal stark gebrannt hat. Im Boden stecken Metallteile und zahlreiche zur Täuschung der deutschen Radargeräte eingesetzte Aluminiumstreifen. Ein Teil, das aus dem Boden schaut, erwies sich als Glücksbringer. Es hat eine Nummer und hat früher wohl einmal zu einer Tragflächenverstrebung gehört.
Der Luftkriegshistoriker Rüdiger Kaddatz aus Oranienburg untersucht es: "Es gehört zweifelsfrei zu einem Halifaxbomber, der im Flugzeugwerk der English Electric Group in Salmesbury produziert wurde. Die Unterlagen zeigen, dass dort unter anderem die Maschinen mit den Seriennummern LW 313 bis 345 hergestellt wurden. Wilsons Maschine hatte die Nummer LW 337, mit großer Sicherheit gehört das Teil zu seiner Maschine." Für Reginald Wilson bedeutet der Fund das glückliche Ende einer mehrjährigen Suche.
Seit Jahren hatte der Luftkriegsveteran im Internet und in britischen Archiven versucht, seinen Absturz aufzuklären. "Jetzt ist der Krieg für mich wirklich zu Ende. Die gefundenen Teile bekommen meine Enkel, zur Erinnerung an eine schreckliche Zeit."
Michael Pincus freut sich, das mit seiner Hilfe das Schicksal der Besatzung der Halifax LW 337 aufgeklärt werden konnte. Groll gegen den Engländer, der ihn und seine Familie in den Luftschutzkeller zwang, hegt er schon lange nicht mehr: "Unser Land hat den Krieg angefangen. Da gibt nichts aufzurechnen."
Die Aufklärung wurde übrigens nur möglich, weil sich Claus-Dieter Sprink vom Heimatmuseum Köpenick an die Öffentlichkeit gewandt hatte. Die Berliner Woche veröffentlichte seinen Aufruf nach Zeitzeugen. Daraufhin hatten sich rund 60 Leser gemeldet und trugen mit ihren Erinnerungen dazu bei, dass die Absturzstelle gefunden werden konnte.