Pressemitteilung

 

Oranienburger Generalanzeiger,

 22. September 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Metall für bewegende Momente

Arbeitsgemeinschaft "Fliegerschicksale" traf den Sohn eines gefallenen Bomberpiloten

Von Bettina Drößus


Robert Lynell verlor seinen Vater im Zweiten Weltkrieg und drehte eine Dokumentation über das Schicksal von Lloyd M. Lynell - seinen Vater. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft "Fliegerschicksale" Oranienburg machten den Sohn des gefallenen Bomberpiloten ausfindig und trafen ihn.


Normalerweise ist es nur ein Haufen Schrott von einem alten Kriegsflugzeug. Doch für Robert Lynell sind es Erinnerungen an seinen Vater, die er nie hatte. Lloyd M. Lynell verbrachte seine letzten Stunden in diesen Wrackteilen seiner Halifax. Auf den Weg nach Berlin wurde der damals erst 26-jährige Pilot der Royal Canadian Air Force über Linde (bei Löwenberg) von den Deutschen abgeschossen. Einige Jahre darauf verstand der damals erst zwei Monate alte Robert Lynell die Welt nicht mehr, als ihm erklärt wurde, dass sein Vater nie mehr nach Hause kommen wird.Heute ist er 63 Jahre alt und hat inzwischen eine Dokumentation über das tragische Schicksal seines Vaters gedreht und produziert. Der gebürtige Kanadier lebt mit seiner Familie in London und arbeitet hauptsächlich für "History Channel", einen englischen Fernsehsender.Dieser finanzierte auch sein aufwendiges Filmprojekt. Zehn Jahre hat er für den beeindruckenden Streifen gebraucht, der wahrscheinlich zu seinem bisher persönlichsten Werk gehört.Ungefähr zur selben Zeit haben Uwe Rathenow, Mario Schulze und Rüdiger Kaddatz mit ihrer Arbeit begonnen. Parallel zueinander recherchierten sie über den tragischen Flugzeugabsturz von Oberleutnant Lloyd M. Lynell, den Vater von Robert Lynell.Die Nachforschungen waren anfangs noch etwas schwierig, doch das Schicksal griff ihnen unter die Arme. Ein Fernsehbeitrag über Rüdiger Kaddatz, den Uwe Rathenow und Mario Schulze verfolgten, führte die drei zusammen. Bald darauf saß das Trio der "Hobbydetektive" dann gemeinsam an einem Tisch und bildete eine Arbeitsgemeinschaft. Die "AG Fliegerschicksale Oranienburg" verfolgte seitdem noch weitere Schicksale von Kriegsgefallenen und ihrer Hinterbliebenen. Doch der Fall Lynell ist wahrscheinlich der aufregendste.Als alle notwendigen Untersuchungen erfolgreich abgeschlossen werden konnten, stellte sich auch heraus, dass Lloyd M. Lynell, der Mann, den sie mit der Zeit nahezu besser kannten als sich selbst, einen noch lebenden Sohn hat. Natürlich war es da eine Leichtigkeit, diesen zu kontaktieren."Als ich meine E-mails las, bekam ich fast einen Schock. Ich konnte es kaum glauben, dass es weitere Menschen auf dieser Welt gab, die sich mit dem Schicksal meines Vaters und somit auch mit meinem beschäftigten", sagt Lynell. Die für ihn so unglaubliche Nachricht zeigte ihm, dass sein Vater, den er nie bewusst kennen lernte, 63 Jahre nach seinem Tod eine Zusammenkunft bewirkte, die für alle Beteiligten das Resultat ihrer langen und harten Arbeit war. Denn am vergangenen Donnerstag trafen sich Uwe Rathenow, Mario Schulze, Rüdiger Kaddatz und Robert Lynell zum ersten Mal, um sich über ihre Erfahrungen und Erlebnisse auszutauschen.Natürlich hatten die vier sich viel zu erzählen. Denn jeder hatte enormes Interesse am anderen, da jeder Einzelne von ihnen unterschiedliche Erfahrungen mit Lloyd Lynell gemacht hatte.Das Treffen führte auch in den Keller des Kulturhauses in Lehnitz. Die drei Oranienburger zeigten Lynell die Überbleibsel der Halifax seines Vaters. "Für mich ist es nicht nur wertloses Metall, sondern mein Vater", sagt der Engländer zu den letzten Wrackteilen des Flugzeugs. Es sei für ihn der vielleicht emotionalste Moment im Zusammenhang mit seinem Vater. Diese Metallreste seien immerhin das einzige, womit er seinem Vater nahe sei. Lloyd Lynell flog, litt und starb schließlich in diesem Metall.Die Mitglieder der AG Fliegerschicksale Oranienburg sammelten die letzten Reste der Halifax von Lloyd M. Lynell in Linde auf und pflegen diese wie ihren Schatz. In gewisser Art und Weise ist es das ja auch: für Robert Lynell der womöglich größte und somit auch emotionalste, den er seit dem vorigen Donnerstag hat. Für die Mitglieder der AG ist es außerdem der Lohn ihrer Arbeit und großartigen Recherche."Wir freuen uns für Robert, denn so kann er sich - auf eine besondere Art und Weise - von seinem Vater verabschieden", sagt Rüdiger Kaddatz. "Es ist selbstverständlich, dass jeder wissen will, wo seine Wurzeln sind und wer die Eltern eines jenen waren", antwortet Robert Lynell auf die Frage, was seine Beweggründe für seinen Film waren. Die Dokumentation "Last flight to Berlin" ( "Letzter Flug nach Berlin") ist eine sehr bewegende Darstellung des Schicksals von Oberleutnant Lloyd Lynell."Als ich den Film zum ersten Mal sah, kroch es mir kalt den Rücken herunter", räumt der Koordinator der AG Fliegerschicksale Oranienburg, Rüdiger Kaddatz, ein. Tatsächlich ist die Dokumentation eine tragische Geschichte über einen jungen Familienvater, der sein Leben letztendlich zur Befreiung Nazi-Deutschlands verlor."Der Zuschauer merkt sofort, dass der Film professionell gedreht wurde. Die Musik im Hintergrund, die Kameraführung und Erzählweise machen die Dokumentation zu einem emotionalen Erlebnis", sagt Rüdiger Kaddatz.Es ist selbstverständlich, dass sich Robert Lynell die größte Mühe mit seinem Werk gegeben hat, denn immerhin spiegelt diese Geschichte irgendwie auch sein eigenes Leben wider. Denn nur durch den Tod seines Vaters sei sein Leben schließlich so verlaufen, wie es nunmal verlief. Er musste ohne seinen Vater aufwachsen