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DIE
ORANIENBURGER "AG FLIEGERSCHICKSALE" KLÄRTE DAS SCHICKSAL VON
ABGESCHOSSENEN US-AIR-FORCE-ANGEHÖRIGEN
Zwei
Mädchen halfen dem Bombenschützen
MARIO
SCHULZE
ORANIENBURG - "Die Geschichte hat
Lektionen für jedermann." Mit diesem Satz beginnt der 79-jährige
Amerikaner Frank E. Lewis seinen Bericht über die Ereignisse in den
letzten Kriegstagen 1945, als er über Oranienburg abgeschossen worden
war.
Am Vormittag des 10. April 1945 hob eine Streitmacht von 1315 Bombern und
863 Jagdflugzeugen der US Air Force von den Plätzen in England und den
befreiten Gebieten Europas ab, um Flugplätze der Luftwaffen im Osten
Deutschlands und im Raum Berlin zu bombardieren. Vorrangiges Ziel war, die
Startbasen der deutschen Düsenjäger, der Me-262, zu zerstören. Der
Oranienburger Flugplatz war einer davon. Doch ein anderes Ziel in diesem
Raum stand ebenfalls auf der Liste der Alliierten - das SS-Feldzeug-Depot
und die dazugehörenden Klinkerwerke in Oranienburg. Auf dieses Ziel waren
294 B-17 "Flying Fortress" angesetzt.
Abgeschossen beim Anflug auf Oranienburg
Der 21-jährige Staff Sergeant Frank Lewis aus Macon, Virginia, sitzt im
Bug eines Bombers, der zur Führungsgruppe der 398. Bomber-Gruppe gehört.
Er ist Bombenschütze und es ist sein 34. Kampfeinsatz, noch einen mehr
muss er absolvieren, dann kann er nach Hause.
Mit seinem Jagdflugzeug P-51 Mustang begleitet der 20-jährige Leutnant
Joe Peterburs von der 20. Jägergruppe die Bomber. Es ist sein 49.
Kampfeinsatz.
Die beiden Männer werden sich in wenigen Tagen unter ungünstigen Verhältnissen
begegnen - in einem deutschen Kriegsgefangenenlager.
Im Raum Wittenberge beginnt der Zielanflug. "Wir waren 90 Sekunden
vom Ziel entfernt", berichtet Lewis, "als uns die deutschen Düsenjäger
angriffen. Ich hatte schon die Klappen des Bombenschachts geöffnet, da
bekamen wir Treffer von den Kanonen der Me-262".
Die Geschosse des Jägers töteten den MG-Schützen Tichenor, zerfetzten
den Arm des MG-Schützen Boyes und zerschnitten die Rumpfmitte.
"Unsere B-17 war tödlich getroffen", schreibt Lewis, "ich
warf sofort die Bomben ab und verließ das Flugzeug. Ich öffnete die
Notverriegelung der Einstiegsluke und wurde mit ihr kopfüber aus dem
Bomber gezogen. Das war in etwa 8000 Metern Höhe. Der Bomber explodierte.
So weit ich erkennen konnte, waren noch drei weitere Crew-Mitglieder
herausgekommen. Die restliche Besatzung ging mit dem Flugzeug in die Tiefe
und starb beim Aufschlag. "
"In einigen hundert Metern Höhe begann ich ein merkwürdiges Geräusch
zu hören. Ich dachte, mein Fallschirm zerreißt und blickte nach oben,
aber alles war in Ordnung. Da bemerkte ich, dass ich von Bauern beschossen
wurde.
Als ich den Boden erreichte, rollte ich ab, löste die Fallschirmgurte und
rannte vor den Zivilisten davon, die mich immer noch beschossen. Das Glück
war auf meiner Seite, denn ich sah drei Soldaten auf mich zukommen, denen
ich mich sofort ergab und die mich vor den ankommenden Zivilisten beschützten.
Sie haben mir das Leben gerettet. Wie ich später erfuhr, wurde der
Heck-MG-Schütze Paxton von Zivilisten am Boden erschossen.
Ich wurde von den Soldaten in ein nahe gelegenes Bauernhaus gebracht und
in ein Hinterzimmer eingeschlossen. "
Der US-Jagdflieger Joe Peterburs sah den Angriff der Me-262 auf die Bomber
und begann sofort die Verfolgung. Zusammen mit seinem Staffelkameraden
Captain Richard Tracy stürzte er hinter einem Düsenjäger hinterher. Er
erzielte noch einige Treffer auf die Me, diese verschwand jedoch in einem
Wolkenfeld. Als Peterburs und Tracy unterhalb dieser Wolken waren,
bemerkten sie unter sich einen Flugplatz, auf dem etliche Flugzeuge zu
sehen waren und beide begannen mit einem Tiefflugangriff auf diesen Platz.
Tracy und Peterburs machten einige Anflüge auf die gegnerischen Flugzeuge
und schossen mehrere davon in Brand. Aber nach dem dritten Anflug wurde
Tracy von dem heftigen Bodenfeuer getroffen und musste das Flugzeug sofort
verlassen. Auch Peterburs wurde nach dem sechsten Anflug getroffen,
steuerte sein angeschlagenes Flugzeug aber bis nach Burg, wo er aussteigen
musste und ebenfalls in Gefangenschaft geriet."
Eine unvergessliche Begegnung
Sergeant Lewis saß derweil immer noch in dem Hinterzimmer. Draußen vor
dem Fenster bemerkte er zwei junge Mädchen. "Sie waren 12 oder 14
Jahre alt", berichtet Lewis, "waren blond, hatten blaue Augen
und liebliche Gesichter, die ich niemals vergessen werde. Die eine war der
Ausguck. Sie drehte ihren Kopf immer zur Front des Hauses, während die
andere mir zur verstehen gab, dass ich das Fenster öffnen sollte. Sie
versuchte zum Fenster hochzuklettern. Ich glaube, sie wollten mir Gebäck
geben. Mich hat ihre Courage sehr beeindruckt. Ich gab ihnen aber durch
Zeichen zu verstehen, dass sie verschwinden sollen, weil ich befürchtete,
dass, wenn sie erwischt werden, könnten sie großen Ärger bekommen, weil
sie mit einem Feind Kontakt aufnehmen." Frank Lewis hat dieses
Ereignis und die "two little german girls" niemals vergessen können.
Am Abend wurde er, bewacht von zwei Soldaten, mit der Bahn nach
Berlin-Tempelhof gebracht. In der Bahn bemerkte er, wie einige Frauen
gegen ihn die Worte "Schwein", "Terrorflieger" und
"Chicago-Gangster" sprachen. In Tempelhof wurde er an die
dortige Flugplatz-Kommandantur übergeben. Dort erfuhr er zu seinem
Erstaunen, dass die Soldaten, die ihn gefangen genommen und hierher
gebracht hatten, von der SS waren.
Lewis und Peterburs in Kriegsgefangenschaft
"Ich blieb einige Tage in Tempelhof, wurde gut behandelt und aß
immer mit dem Personal in den großen Speisesälen. Am vierten oder fünften
Tag gesellte sich ein abgeschossener P-51 Mustang Pilot zu mir. Ich war
sehr froh über sein Erscheinen." Dieser Pilot war Captain Richard
Tracy.
Beide wurden kurz darauf mit der Bahn nach Luckenwalde gebracht, in das
dortige Kriegsgefangenenlager. Kurz darauf traf auch noch Joseph Peterburs
in diesem Lager ein. Dieser war für wenige Tage in dem
Kriegsgefangenenlager in Altengrabow inhaftiert, ehe er und die anderen
Kriegsgefangenen von dort in einem Gewaltmarsch nach Osten getrieben
wurden.
"Ich blieb gerade lange genug in Luckenwalde, um Läuse, eine
Lungenentzündung und ein Paar Schuhe zu bekommen", schreibt Lewis.
Dann schlichen sie alle davon, weil eine scharfe Bewachung faktisch nicht
mehr existierte.
"Bei Jüterbog trafen wir auf vorgestoßene russische
Panzereinheiten", berichtet Joe Peterburs. "Wir kämpften uns
mit ihnen bis nach Wittenberg durch. Auf den Weg dorthin wurde ich von den
Anderen getrennt. An der Elbe erreichte ich endlich die amerikanischen
Streitkräfte."
Joe Peterburs hörte bis zum April 2002 nichts mehr von seinen Kameraden,
bis ich ihm von Übereinstimmungen in seinem und dem gerade erhaltenen
Bericht von Frank E. Lewis schrieb. Peterburs fand Lewis im
Telefonverzeichnis der USA. "Ich kann kaum glauben, was geschehen
ist", schrieb Lewis später, "als ich den Anruf aus Colorado
Springs erhielt, bin ich aus meinem Sessel gefallen." Die beiden Männer
stehen nun in ständigem Kontakt.
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