Es
ist wie ein Fieber
Marion
Voigt
Oranienburg:
Rüdiger Kaddatz erforscht die Geschichte alter Flugzeugwracks
Rüdiger
Kaddatz aus Oranienburg hat ein außergewöhnliches Hobby. Der 44jährige
befasst sich in seiner Freizeit mit Ereignissen, die sich in den
Kriegsjahren in und um Oranienburg abgespielt haben und mit Flugzeugabstürzen
verbunden sind.
Seit
zwei Jahren widmet er fast jede freie Minute diesen Recherchen. "Es
ist wie ein Fieber, das mich gepackt hat und mich nicht mehr loslässt",
verrät der Ingenieur für Metallurgie. Kaddatz ist Mitglied im
Oranienburger Arbeitskreis "Konversion und Militärliegenschaften"
um Dr. Norbert Rohde (wir berichteten) und gilt dort als Experte für
Flugzeugwracks und deren Geschichte.
Angefangen
habe alles bei einem Waldspaziergang. "Ich war mit meinem Sohn
unterwegs und sah auf einmal Aluminiumteile aus dem Boden
hervorlugen", erinnert sich Kaddatz. "Das fand ich ungewöhnlich.
Deshalb habe ich mir die Stelle genauer angeschaut." Als er schließlich
auf einem der Teile die Jahreszahl "1942" eingraviert gesehen
habe, sei ihm klar geworden, "dass hier etwas passiert sein
muss". Erinnerungen an seine Kindheitstage seien wach geworden.
"Ich bin in Schmachtenhagen aufgewachsen. Unweit meines Elternhauses
lag ein alter Flugzeugreifen. Der hat mich immer magisch angezogen und ich
fragte mich ständig, wie er in den Wald kam."
Diese
Gedanken seien ihm dann wieder durch den Kopf geschossen. "Ich nahm
mir vor zu klären, wie die Aluteile in den Wald gekommen sind", so
Kaddatz. Nach ausgiebigen Untersuchungen habe er festgestellt, dass an der
Stelle ein Flugzeug abgestürzt war. "Man sieht das an den
umstehenden Bäumen. Aber auch im Waldboden befanden sich noch mehrere
Teile."
Dann
begann eine unermüdliche Suche nach Details, die die Geschehnisse um den
Absturz klären können. "Ich wollte das Schicksal des Flugzeuges und
seiner Besatzung aufklären." So begann der gelernte Ingenieur für
Metallurgie, Kontakt mit der Gemeinschaft der Jagdflieger und dem
Luftwaffenmuseum in Gatow aufzunehmen. "Ich besuchte Jägerabende und
versuchte das Flugzeugwrack zu identifizieren", sagte er. Der
Oranienburger nahm Kontakt auf mit Suchdiensten, die Vermisstenschicksale
deutscher Flieger im zweiten Weltkrieg aufklären. "Und da war ich
mittendrin."
Doch
"sein" erstes Flugzeugwrack bereitete ihm eine Menge Arbeit.
"Die Suche hat sich inzwischen festgefahren. Der Fall ist immer noch
nicht zu den Akten gelegt", räumte er ein. Fest steht, dass es sich
um eine Focke Wulf 190, Version A8/A9, handele. Sie sei wahrscheinlich am
11. Februar 1945 abgestürzt. Zu dem Zeitpunkt sollen vier Maschinen über
dem betreffenden Waldstück abgestürzt sein. Die Piloten sollen mit dem
Fallschirm abgesprungen sein. "Ich hatte Fallschirmschnallen, persönliche
Gegenstände und eine Uhr gefunden. Zunächst glaubte ich, den Fall gelöst
zu haben." Aber die Theorie sei nicht aufgegangen. "Der Pilot,
den ich meinte, ein gewisser Oberfähnrich Hültner, war erst gegen 14 Uhr
losgeflogen. Der Absturz muss sich aber um 10.25 Uhr ereignet haben, denn
da ist die Uhr stehen geblieben, die ich am Absturzort gefunden
habe." Um den Absturz zu klären, studierte Kaddatz sogar alte
Luftbilder, konsultierte Gerichtsmediziner, startete Suchanzeigen und stöberte
in alten Archiven. "Dabei habe ich viel gelernt." Sogar in
England war der Enthusiast, um sich eine Focke Wulf anzuschauen und das
Staatsarchiv in London aufzusuchen.
Erfolgreich
waren dann die folgenden Recherchen. So klärte Kaddatz die Geschichte von
Wrackteilen auf, die ein Jagdpächter in einem Waldstück zwischen
Neuholland und Grüneberg gefunden hat. "Hier ist am 21. Januar 1944
eine Maschine mit sieben Besatzungsmitgliedern abgestürzt. Es handelt
sich um eine Halifax B II. Das Flugzeug gehörte zu einem Geschwader
von 800 Bombern, von denen 35 abgeschossen wurden. Die
Besatzungsmitglieder wurden erst in Grüneberg beigesetzt und später nach
Berlin-Charlottenburg überführt. Die Männer waren zwischen 22 und 30
Jahre alt."
Rüdiger
Kaddatz will seine Recherchen auf jeden Fall weiterführen, denn "die
Zeit läuft uns davon". Das Schicksal abgestürzter Flugzeuge und
ihrer Besatzungen sei oftmals noch nicht geklärt. "Allein 200 Abstürze
von englischen Bombern im Jahr 1943 über deutschem Territorium sind eine
Grauzone", verdeutlicht er das Problem. Zeitzeugen, die weiter helfen
könnten, würden langsam aussterben. "Deshalb müssen wir das
Schicksal aufhellen, solange es noch geht. Die Angehörigen sind dankbar
darüber", berichtet er. Im übrigen lerne er bei seinen Recherchen
viele interessante Fakten über Oranienburg kennen. "Es ist
unglaublich, was sich hier alles zugetragen hat. Da fahren viele
Zeitgenossen tausende Kilometer in den Urlaub, um irgendwelche
historischen Stätten zu besuchen. Dabei haben sie so etwas vor der Haustür.
Mann muss sich nur dafür interessieren."
Im
Laufe der Zeit hat Kaddatz viele interessante Funde gemacht
"aufarbeitungswürdige Teile werde ich dem Luftwaffenmuseum in
Gatow zur Verfügung stellen", erzählt Kaddatz, der sich auch im
Verein "Mitglied und Freunde des Luftwaffenmuseums" engagiert.
Über seine Entdeckungen einmal ein Buch zu schreiben - das erwäge er
noch nicht, meint er abschließend.
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