Pressemitteilungen Oranienburger Generalanzeiger, 02.01.1999

 

 

Es ist wie ein Fieber

Marion Voigt

 

Oranienburg: Rüdiger Kaddatz erforscht die Geschichte alter Flugzeugwracks

 

Rüdiger Kaddatz aus Oranienburg hat ein außergewöhnliches Hobby. Der 44jährige befasst sich in seiner Freizeit mit Ereignissen, die sich in den Kriegsjahren in und um Oranienburg abgespielt haben und mit Flugzeugabstürzen verbunden sind.

Seit zwei Jahren widmet er fast jede freie Minute diesen Recherchen. "Es ist wie ein Fieber, das mich gepackt hat und mich nicht mehr loslässt", verrät der Ingenieur für Metallurgie. Kaddatz ist Mitglied im Oranienburger Arbeitskreis "Konversion und Militärliegenschaften" um Dr. Norbert Rohde (wir berichteten) und gilt dort als Experte für Flugzeugwracks und deren Geschichte.

Angefangen habe alles bei einem Waldspaziergang. "Ich war mit meinem Sohn unterwegs und sah auf einmal Aluminiumteile aus dem Boden hervorlugen", erinnert sich Kaddatz. "Das fand ich ungewöhnlich. Deshalb habe ich mir die Stelle genauer angeschaut." Als er schließlich auf einem der Teile die Jahreszahl "1942" eingraviert gesehen habe, sei ihm klar geworden, "dass hier etwas passiert sein muss". Erinnerungen an seine Kindheitstage seien wach geworden. "Ich bin in Schmachtenhagen aufgewachsen. Unweit meines Elternhauses lag ein alter Flugzeugreifen. Der hat mich immer magisch angezogen und ich fragte mich ständig, wie er in den Wald kam."

Diese Gedanken seien ihm dann wieder durch den Kopf geschossen. "Ich nahm mir vor zu klären, wie die Aluteile in den Wald gekommen sind", so Kaddatz. Nach ausgiebigen Untersuchungen habe er festgestellt, dass an der Stelle ein Flugzeug abgestürzt war. "Man sieht das an den umstehenden Bäumen. Aber auch im Waldboden befanden sich noch mehrere Teile."

Dann begann eine unermüdliche Suche nach Details, die die Geschehnisse um den Absturz klären können. "Ich wollte das Schicksal des Flugzeuges und seiner Besatzung aufklären." So begann der gelernte Ingenieur für Metallurgie, Kontakt mit der Gemeinschaft der Jagdflieger und dem Luftwaffenmuseum in Gatow aufzunehmen. "Ich besuchte Jägerabende und versuchte das Flugzeugwrack zu identifizieren", sagte er. Der Oranienburger nahm Kontakt auf mit Suchdiensten, die Vermisstenschicksale deutscher Flieger im zweiten Weltkrieg aufklären. "Und da war ich mittendrin."

Doch "sein" erstes Flugzeugwrack bereitete ihm eine Menge Arbeit. "Die Suche hat sich inzwischen festgefahren. Der Fall ist immer noch nicht zu den Akten gelegt", räumte er ein. Fest steht, dass es sich um eine Focke Wulf 190, Version A8/A9, handele. Sie sei wahrscheinlich am 11. Februar 1945 abgestürzt. Zu dem Zeitpunkt sollen vier Maschinen über dem betreffenden Waldstück abgestürzt sein. Die Piloten sollen mit dem Fallschirm abgesprungen sein. "Ich hatte Fallschirmschnallen, persönliche Gegenstände und eine Uhr gefunden. Zunächst glaubte ich, den Fall gelöst zu haben." Aber die Theorie sei nicht aufgegangen. "Der Pilot, den ich meinte, ein gewisser Oberfähnrich Hültner, war erst gegen 14 Uhr losgeflogen. Der Absturz muss sich aber um 10.25 Uhr ereignet haben, denn da ist die Uhr stehen geblieben, die ich am Absturzort gefunden habe." Um den Absturz zu klären, studierte Kaddatz sogar alte Luftbilder, konsultierte Gerichtsmediziner, startete Suchanzeigen und stöberte in alten Archiven. "Dabei habe ich viel gelernt." Sogar in England war der Enthusiast, um sich eine Focke Wulf anzuschauen und das Staatsarchiv in London aufzusuchen.

Erfolgreich waren dann die folgenden Recherchen. So klärte Kaddatz die Geschichte von Wrackteilen auf, die ein Jagdpächter in einem Waldstück zwischen Neuholland und Grüneberg gefunden hat. "Hier ist am 21. Januar 1944 eine Maschine mit sieben Besatzungsmitgliedern abgestürzt. Es handelt sich um eine Halifax B II. Das Flugzeug gehörte  zu einem Geschwader von 800 Bombern, von denen 35 abgeschossen wurden. Die Besatzungsmitglieder wurden erst in Grüneberg beigesetzt und später nach Berlin-Charlottenburg überführt. Die Männer waren zwischen 22 und 30 Jahre alt."

Rüdiger Kaddatz will seine Recherchen auf jeden Fall weiterführen, denn "die Zeit läuft uns davon". Das Schicksal abgestürzter Flugzeuge und ihrer Besatzungen sei oftmals noch nicht geklärt. "Allein 200 Abstürze von englischen Bombern im Jahr 1943 über deutschem Territorium sind eine Grauzone", verdeutlicht er das Problem. Zeitzeugen, die weiter helfen könnten, würden langsam aussterben. "Deshalb müssen wir das Schicksal aufhellen, solange es noch geht. Die Angehörigen sind dankbar darüber", berichtet er. Im übrigen lerne er bei seinen Recherchen viele interessante Fakten über Oranienburg kennen. "Es ist unglaublich, was sich hier alles zugetragen hat. Da fahren viele Zeitgenossen tausende Kilometer in den Urlaub, um irgendwelche historischen Stätten zu besuchen. Dabei haben sie so etwas vor der Haustür. Mann muss sich nur dafür interessieren."

Im Laufe der Zeit hat Kaddatz viele interessante Funde gemacht "aufarbeitungswürdige Teile  werde ich dem Luftwaffenmuseum in Gatow zur Verfügung stellen", erzählt Kaddatz, der sich auch im Verein "Mitglied und Freunde des Luftwaffenmuseums" engagiert. Über seine Entdeckungen einmal ein Buch zu schreiben - das erwäge er noch nicht, meint er abschließend.