Pressemitteilungen Oranienburger Generalanzeiger, 12.06.2001

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Schicksal toter Soldaten aufgeklärt

 

Von Marion Voigt

 

Über vier Jahre akribische Kleinarbeit war notwendig, um die Identität von Flugzeugbesatzung festzustellen

 

Im Frühjahr 1999 hat die Arbeitsgruppe "Flugzeugabstürze" um den Oranienburger Rüdiger Kaddatz in einem Waldstück zwischen Lehnitz und Schmachtenhagen menschliche Überreste von einem Flugzeugabsturz  im Zweiten Weltkrieg gefunden. Jetzt hat sie die Identität der toten Soldaten aufgeklärt. Ihr Ziel, dass sie nicht namenlos bestattet werden müssen, hat sie damit erreicht.

Geholfen haben Rüdiger Kaddatz dabei vor allem zwei Mitstreiter - Mario Schulze und Uwe Rathenow, die sich ebenfalls mit Flugzeugabstürzen im Zweiten Weltkrieg in und um Oranienburg befassen und dafür fast ihre ganze Freizeit verwenden.

Die drei Männer haben herausgefunden, dass es sich um die Besatzung eines britischen RAF-Bombers handelt. Das Flugzeug ist am 29. Januar 1944 über Lehnitz abgestürzt, nachdem es beschossen worden war. Die siebenköpfige Besatzung, von der sechs Mitglieder als vermisst galten, bestand aus vier Australiern und drei Engländern im Alter zwischen 20 und 32 Jahren: Ivan Georg Durston, Philipp Roy Gill, Sidney John Griffiths, Francis Alfred Aver, Harold Leonard Frey und Jack Wiliam Alexander Sutherland.

Die Absturzstelle im Lehnitzer Forst hatten die drei Hobby-Forscher bereits seit Jahren im Visier. Durch Augenzeugen wussten sie, dass dort eine Maschine abgestürzt war.

Erste Untersuchungen im Jahre 1997 führten jedoch nicht zum Erfolg. Erst zwei Jahre später führten Grabungen unter Anleitung des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge weiter: Sie stießen auf eine Fallschirmschnur und wenig später auf menschliche Knochen. Mit Unterstützung der Bundeswehr waren die Gebeine geborgen worden. Über 250 Stunden hat die Gruppe mit der Bergung verbracht. Das Erdreich musste Stück für Stück abgetragen und durchgesiebt werden.

Die Bergung und Überführung der Gebeine auf den Militärfriedhof in der Heerstraße in Berlin war aber erst der Anfang einer langer Geschichte. Die Klärung der Identität der Flugzeugbesatzung erwies sich als sehr schwieriges und langwieriges Unterfangen.

Die Männer hatten nur wenige Anhaltspunkte: Sie waren sich sicher, dass das Flugzeug zwischen Januar und März 1944 abgestürzt sein muss. Und sie vermuteten, dass es eines der 19 Flugzeuge war, deren Besatzungen noch immer vermisst werden. Außerdem war ihnen bekannt, dass einer der Toten - er trug einen beheizten Anzug - der Heckschütze war und ein anderer wiederum relativ alt gewesen sein muss.

Die Hobby-Forscher starteten mit diesen Ausgangsdaten eine umfangreiche Recherche, schrieben Ministerien und Luftwaffenmuseen in Deutschland und England an, werteten Archivmaterial und alte Luftbildaufnahmen aus und nahmen Kontakt zu Militär- und Fliegerverbänden auf. Wie ein Puzzle fügten sich im Laufe der Jahre die Ermittlungsergebnisse zu einem Bild zusammen. Dass die drei Männer auf der richtigen Spur waren, darin bestärkte sie ein Brief, den sie voriges Jahres vom Oranienburger Pfarrer Reinhard Röhm erhielten.

Ihm hatte eine Engländerin geschrieben, deren Onkel Flieger in der Royal Air Force war und der am 29. Januar 1944 in der Nähe von Schmachtenhagen abgestürzt sein soll. Gemeinsam mit der Nichte, Marion Bywater, versuchten die Hobbyforscher die Identität ihres Onkels Harold Frey als einender Toten zweifelsfrei nachzuweisen. Sie prüften beispielsweise, ob Fundstücke wie ein alter Ring möglicherweise von ihm waren. Außerdem versuchten sie weitere Angehörige der Gefallenen ausfindig zu machen. Die australischen Behörden erwiesen sich dabei als außerordentlich kooperativ.

Die drei Oranienburger erfüllt es mit Befriedigung, dass sie wieder ein Stück Geschichte aufgearbeitet haben und ein bislang leeres Kapitel über ein verschwundenes englisches Flugzeug füllen konnten.