Einziges
Hilfsmittel: 57 Jahre alte Fotos,
Der
Pilot Günther Sinnecker kehrt an Absturzstelle zurück
Von
Mona Schröder
Im
Dezember 1943 stürzte der deutsche Pilot Günther Sinnecker mit seinem
Kampfflugzeug über Fürstenberg ab. Nach fast 57 Jahren kehrte der
Berliner in dieser Woche an die Absturzstelle zurück. Begleitet wurde der
78jährige von der Lehnitzer AG für Konversion. Sie hatten die Überreste
von Sinneckers Jagdmaschine Focke Wulf 190 wenige Wochen zuvor ausfindig
gemacht.
Dezember
1943: Der deutsche Pilot Günther Sinnecker ist mit seiner einmotorigen
Jagdmaschine über Berlin unterwegs. Es ist Nacht. Er greift ein
englisches Flugzeug an, wird jedoch selbst angeschossen. Ob von den Engländern
oder der eigenen Flak konnte er nicht feststellen.
Der
Motor schüttelt, die Instrumente der Maschine sind nicht mehr lesbar.
Sinneckers einziger Gedanke zu diesem Zeitpunkt: "Raus aus
Berlin!"
Er
verliert an Höhe. Außerhalb von Berlin beschließt der 22 -Jährige, mit
dem Fallschirm abzuspringen. Eine Landung in unbekanntem Gelände wäre
Sinneckers sicherer Tod. Es ist Nacht - er springt über einem großen
dunklen Loch ab. Die Maschine stürzt ab, er überlebt.
April
2000: Fast 57 Jahre später kehrt Günther Sinnecker an die Absturzstelle
zurück. Für ihn fast unvorstellbar, bekommt er die Überreste noch
einmal zu Gesicht. Das hat der Berliner Rüdiger Kaddatz, Mario Schulze
und Uwe Rathenow zu verdanken. Die drei Männer beschäftigen sich - in
der Oranienburger Arbeitsgemeinschaft für Konversion - mit Flugzeugabstürzen
in und um Oranienburg.
"In
den seltensten Fällen kann der Pilot identifiziert werden, der abgestürzt
ist", erklärt Kaddatz. Wenn derjenige dann noch lebt und wir ihn zur
Absturzstelle führen können, ist das sehr eindrucksvoll."
Zwei
Wochen vorher hatte Günther Sinnecker den drei Männern Fotos, die ihn am
Morgen nach dem Abschuss an der Absturzstelle zeigen, zur Verfügung
gestellt. Nur mit diesen Fotos als Hilfsmittel konnten die Oranienburger
innerhalb weniger Tage die Absturzstelle ausfindig machen. Sie befindet
sich in einem Waldstück an einem kleinen Hang nahe Fürstenberg.
Als
Sinnecker davon erfährt, bittet er Kaddatz, Schulze und Rathenow, sie
"umgehend dahin begleiten zu dürfen." Für ihn sei es ein
inneres Bedürfnis gewesen, die Möglichkeit, die sich ihm hier eröffnete,
zu nutzen, sagt er.
Sinnecker
erwartet keine großen Funde: Die spektakulärsten Stücke befinden sich
schon längst in einer Bananenkiste in Rüdiger Kaddatz' Kofferraum. Ein
Teil des Fahrwerk-Abdeckblechs zum Beispiel, auf dem die Baugruppennummer
der Jagdmaschine zu erkennen ist. Oder eine Kühlrippe von dem Motor der
Focke Wulf 190. "Standardmaschinen hatten einen Reihenmotor, die Fw
190 einen Sternmotor. Nur bei diesen Maschinen gab es diese Kühlrippen",
erläutert Kaddatz.
Trotz
dieser Funde liegen nahe der Absturzstelle immer noch viele
Aluminiumteile, die zu Sinneckers Maschine gehören. Der heute 78-Jährige
wird nicht müde, jedes noch so kleine Teil, das Kaddatz aus dem Boden
holt, zu fotografieren. Doch nach einiger Zeit geht er den Abhang
hinunter, allein mit jenen Fotos, die im Dezember 1943 aufgenommen wurden.
Nach
einiger Zeit kommt er zurück: "Es ist eindeutig. Da unten sieht es
noch fast genauso aus wie auf den Fotos." - Sinnecker ist überzeugt
an der richtigen Stelle zu sein. Auf die Frage, was er empfinde, antwortet
Sinnecker leise: "Ich fühle mich an eine düstere Vergangenheit
erinnert. Aber ich werde nie damit abschließen können."
Schließlich
ist es Sinnecker, der an dem Apriltag zum Aufbruch mahnt: "Alles können
wir ja doch nicht ausgraben." Er bedankt sich bei den Oranienburgern:
"Ich spreche Ihnen meine Anerkennung aus. Es war eine beeindruckende
Erfahrung für mich."
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