Pressemitteilungen Oranienburger Generalanzeiger, 29.04.2000

Einziges Hilfsmittel: 57 Jahre alte Fotos,

 

Der Pilot Günther Sinnecker kehrt an Absturzstelle zurück

 

Von Mona Schröder

 

Im Dezember 1943 stürzte der deutsche Pilot Günther Sinnecker mit seinem Kampfflugzeug über Fürstenberg ab. Nach fast 57 Jahren kehrte der Berliner in dieser Woche an die Absturzstelle zurück. Begleitet wurde der 78jährige von der Lehnitzer AG für Konversion. Sie hatten die Überreste von Sinneckers Jagdmaschine Focke Wulf 190 wenige Wochen zuvor ausfindig gemacht.

 

Dezember 1943: Der deutsche Pilot Günther Sinnecker ist mit seiner einmotorigen Jagdmaschine über Berlin unterwegs. Es ist Nacht. Er greift ein englisches Flugzeug an, wird jedoch selbst angeschossen. Ob von den Engländern oder der eigenen Flak konnte er nicht feststellen.

Der Motor schüttelt, die Instrumente der Maschine sind nicht mehr lesbar. Sinneckers einziger Gedanke zu diesem Zeitpunkt: "Raus aus Berlin!"

Er verliert an Höhe. Außerhalb von Berlin beschließt der 22 -Jährige, mit dem Fallschirm abzuspringen. Eine Landung in unbekanntem Gelände wäre Sinneckers sicherer Tod. Es ist Nacht - er springt über einem großen dunklen Loch ab. Die Maschine stürzt ab, er überlebt.

 

April 2000: Fast 57 Jahre später kehrt Günther Sinnecker an die Absturzstelle zurück. Für ihn fast unvorstellbar, bekommt er die Überreste noch einmal zu Gesicht. Das hat der Berliner Rüdiger Kaddatz, Mario Schulze und Uwe Rathenow zu verdanken. Die drei Männer beschäftigen sich - in der Oranienburger Arbeitsgemeinschaft für Konversion - mit Flugzeugabstürzen in und um Oranienburg.

"In den seltensten Fällen kann der Pilot identifiziert werden, der abgestürzt ist", erklärt Kaddatz. Wenn derjenige dann noch lebt und wir ihn zur Absturzstelle führen können, ist das sehr eindrucksvoll."

Zwei Wochen vorher hatte Günther Sinnecker den drei Männern Fotos, die ihn am Morgen nach dem Abschuss an der Absturzstelle zeigen, zur Verfügung gestellt. Nur mit diesen Fotos als Hilfsmittel konnten die Oranienburger innerhalb weniger Tage die Absturzstelle ausfindig machen. Sie befindet sich in einem Waldstück an einem kleinen Hang nahe Fürstenberg.

Als Sinnecker davon erfährt, bittet er Kaddatz, Schulze und Rathenow, sie "umgehend dahin begleiten zu dürfen." Für ihn sei es ein inneres Bedürfnis gewesen, die Möglichkeit, die sich ihm hier eröffnete, zu nutzen, sagt er.

Sinnecker erwartet keine großen Funde: Die spektakulärsten Stücke befinden sich schon längst in einer Bananenkiste in Rüdiger Kaddatz' Kofferraum. Ein Teil des Fahrwerk-Abdeckblechs zum Beispiel, auf dem die Baugruppennummer der Jagdmaschine zu erkennen ist. Oder eine Kühlrippe von dem Motor der Focke Wulf 190. "Standardmaschinen hatten einen Reihenmotor, die Fw 190 einen Sternmotor. Nur bei diesen Maschinen gab es diese Kühlrippen", erläutert Kaddatz.

Trotz dieser Funde liegen nahe der Absturzstelle immer noch viele Aluminiumteile, die zu Sinneckers Maschine gehören. Der heute 78-Jährige wird nicht müde, jedes noch so kleine Teil, das Kaddatz aus dem Boden holt, zu fotografieren. Doch nach einiger Zeit geht er den Abhang hinunter, allein mit jenen Fotos, die im Dezember 1943 aufgenommen wurden.

Nach einiger Zeit kommt er zurück: "Es ist eindeutig. Da unten sieht es noch fast genauso aus wie auf den Fotos." - Sinnecker ist überzeugt an der richtigen Stelle zu sein. Auf die Frage, was er empfinde, antwortet Sinnecker leise: "Ich fühle mich an eine düstere Vergangenheit erinnert. Aber ich werde nie damit abschließen können."

Schließlich ist es Sinnecker, der an dem Apriltag zum Aufbruch mahnt: "Alles können wir ja doch nicht ausgraben." Er bedankt sich bei den Oranienburgern: "Ich spreche Ihnen meine Anerkennung aus. Es war eine beeindruckende Erfahrung für mich."

 

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